Das grosse Geschäft mit der Media - das neue Geschäftsmodell - kommt Ihnen was bekannt vor?
Wenn ein Verlag wegen einer Titelstory bedroht wird, die Betroffenen auf Informanten Jagd gehen und ein ganzer Markt nervös wird - W&V Nr.30 vom 20. Juli 2015: W&V deckt die Tricks der deutschen Mediaagenturen auf - der Mediabeobachter was davon in der Schweiz auch zutrifft:

Mediaagenturen - über sie laufen Milliarden Werbebudgets. Dass die Versuchung gross ist, davon nicht nur 1.5% - 2.5 % Agenturhonorar, sondern deutlich höhere Anteile zu erhalten, mag ja noch nachvollziehbar sein. Den Weg, den die Mediaagenturen dafür einschlagen ist zwar (meist) nicht gesetzeswidrig, aber ganz bestimmt nicht im Sinne der Werbeauftraggeber oder Medien und zudem vollkommen intransparent.
Statt sich mit der besten Strategie, der smarten Planung und effizienten Umsetzung von Werbekampagnen zu beschäftigen, wird vermehrt in die eigene Tasche gewirtschaftet oder wie sich Thomas Koch (deutsche Media-Koryphäe) auszudrücken pflegt: "unsinnige und schiefe Mediapläne dem Kunden verkauft um sich selber zu bereichern. Das ist dann klarer Betrug am Kunden". Es scheint zu funktionieren.
In Ermangelung von Schweizer Zahlen (der Markt wird in den Geschäftsberichten nicht gesondert ausgewiesen) ein Beispiel der GroupM Deutschland (Verbund von Mediacom, Mindshare, Maxus und MEC) - die Verhältnisse in der Schweiz dürfen wir als ähnlich voraussetzen: GroupM erwirtschaftet gemäss WPP Geschäftsbericht 27% des Konzernzumsatzerlöses, was 283.5 Mio Euro sind. Bei einem marktüblichen Mediahonorar von 1.5% und dem Umsatzvolumen wären das gerademal ca. 46 Mio €. GroupM Deutschland hat es also geschafft, ihren Jahreserlös auf das Sechsfache zu steigern, die Kundenhonorare machen nur noch 16% der gesamten Agentureinnahmen aus. Doch wie geht das?
Bündelungsvorteile - die Cashcow der letzten Jahre
W&V: "Bislang bündelten Agenturnetzwerke ihre Werbevolumen in Einkaufsholdings und erwirtschafteten Extrarabatte von den Medien. Nicht immer werden diese Rabatte an Kunden weitergereicht." Im Schweizer Markt wurde dazu der Begriff "Sharing-Saving-Bonus" oder "Freespace-Bonus" verwendet. Die Agenturen haben die "Bündelungsvorteile" mit einem durchschnittlich 20% Bonus an ihre Kunden verkauft. Bei Freespace Anteilen von 20-40% des Mediainvestments konnte hier auf einen Schlag die Agentur-Erlöse mehr als verdoppelt werden, indem man dem Kunden verkauft hat, was ihm eigentlich schon gehört hat, er sich dessen aber nicht bewusst war. Dabei half die Intransparenz ungemein. Da niemand weiss, was ihm eigentlich zustehen würde, konnten besonders dreiste Agenturen behaupten, dass der Kunde überproportional vom Freespace profitiert. Was aber disproportionale Verteilung von Freespace (oder Mehrwerten, wie es Mediamanager gern nennen) bedeutet, hat GroupM Chairman Irwin Gotlieb an der Association of National Advertisers conference in Phoenix klargemacht: "If we give someone a disproportionate share of rebates, that means we're taking it from one of your colleagues in this room."
Das Geschäft mit dem Freespace war also deutlich interessanter als die saubere Planung - welche dahingehend optimiert wurde möglichst viel Freespace zu generieren. Als immer mehr Kunden (vorallem internationle) auch aufgrund der Hinweise der Kundenverbände (z.B dem SWA, WFA, ANA) ihr Verträge angepasst haben und die vollständige Weitergabe jeglicher Mehrwerte verlangten, musste eine neue Idee her.
Die W&V hat die neuesten Tricks für den deutschen Markt zusammengetragen, die Mehrzahl davon sind gemäss Aussagen verschiedener Vermarkter auch in der Schweiz üblich. Oeffentlich können und wollen diese aber nicht darüber reden. Hochdotierte Geheimhaltungsklauseln verbieten dies.
Serviceverträge für Medien
Gerne schliessen Agenturen nun Serviceverträge mit den Vermarktern und Medienanbietern ab. Statt mit Freespace, werden nun Medien mit Nachdruck "gebeten" für hohe Summen fragwürdige Services zu kaufen: für Präsentationen in den Agenturräumen, Anwesenheit des Geschäftsführers gegen Aufpreis, Ausstrahlung von Werbespots auf den PC-Bildschirmen der Mediaplaner, Workshops die sie nicht brauchen, Wettbewerbsanalysen die sie auch selber erstellen könnten oder exklusive Studien die sie lieber nicht bestellen würden. Doch das ist noch lange nicht alles. Agenturen kriegen Prozente dafür, wenn sie dem Vermarkter mitteilen, wie viel sie voraussichtlich bei ihm buchen werden, "Visibilitätsvertrag" nennt man das in Deutschland, die Praxis ist aber auch in der Schweiz bekannt und wird auch hier angewandt. W&V: "Die Liste der "Service"-Leistungen ist endlos. Am Ende macht die Dosis das Gift."
In der Schweiz sind gemäss unserer Recherchen alle obengeannten Praktiken im Einsatz. Das ist kein Zufall, alle Chefs von Netzwerkagenturen haben inzwischen diese Renditemaschine entdeckt, welche sie sie mit Druck global einsetzen.
Zusätzlich werden aber auch lokale Modelle für Zusatzincome entwickelt. So werden die Cashflows der Agenturen genutzt um weitere Prozente mit Skonto-Verträgen zu generieren. In einem Markt in dem sich die Kunden gerne deutlich mehr als 60-90 Tage mit der Bezahlung der Mediarechnungen Zeit lassen, die Abrechnungen und Bezahlung der vielen Rechnungen aber durch die Buchhaltung ihrer Mediaagentur leiten, ist alleine dies schon gut und gerne 2-4% der Rechnungsbeträge Wert. Es bedingt zwar bei der Holding Einkaufsgesellschaft, bzw. der Mediaagentur etwas mehr Aufwand im Cash-Management, ist den Aufwand aber allemal wert. Es verdoppelt das Mediahonorar schliesslich.
Alles legal aber nicht wirklich gut
Dutzende von Anwälten sorgen dafür, das diese Dienstleistungsverträge juristisch wasserfest sind und vorallem geheim bleiben. Gut ist es trotzdem nicht. Nur grosse Vermarkter und Medien können sich den ruinösen Wettbewerb noch leisten. Margen sinken, Preise werden neu kalkuliert, die Rechnung bezahlt der ahnungslose, meist lokale Kunde.
Trading als Geldmaschine
Das meiste Geld verdienen Agenturen mit Trading. Hier eignet sich der unübersichtliche Onlinemarkt besonders gut für Inventargeschäfte. Medien übergeben den Agenturen Onlineinventar, welches dann mittels Cookie-Informationen zu agentureigenen "Margen-Produkten" veredelt wird und damit durch kein Audit je gefährdet ist. Dies wird dem Kunden sogar vor dem Kauf schriftlich mitgeteilt. Viele Kunden haben vor der Komplexität kapituliert und die Kontrolle über ihre Mediapläne komplett der Agentur übergeben.
Denkwürdig: Transparenz kostet
Speziell stossend dürfte des Konzept von "Transparenz kostet" für viele Werbeauftraggeber sein. Wer vertraglich komplett auf Auditrechte für Tradingprodukte verzichtet, kann am billigsten einkaufen. Dies steht im krassen Widerspruch zum SWA Code of Conduct, welcher die volle Transparenz verlangt.
Nur wer die Kompetenz hat, verfügt über Kontrollle
Der einzige Weg, die Kontrolle zu behalten ist Ausbildung und Kompetenz. W&V: "...gut informierte Kunden. Sie schauen ihren Agenturen auf die Finger, bekommen deswegen nicht nur gute Preise, sondern auch die besten Mediapläne. Sie bauen sogar eigene Abteilungen auf, um den automatisierten Werbeeinkauf (Programmatic Buying, Real Time Bidding) selbt abzuwickeln. Sie wissen, was ihre Daten wert sind und wollen sie nicht an eine Agentur aus der Hand geben, welche die Cookie-Informationen aus Kampagnen, die sie bezahlt haben, auch an andere Kunden weiterverkauft.". Sehr effektiv ist auch die Entbündelung von Strategie/Planung und Einkauf von Medialeistungen und die Vergabe der beiden Teilaufgaben an zwei autonome Gesellschaften.
Muss es denn immer billig sein?
Was nutzt billige Kommunikationsleistung die nicht ankommt oder zur falschen Zeit, am falschen Ort der falschen Zielgruppe kommuniziert wird? Es ist Zeit, die eigene Kompetenz zu stärken und die Teams und Resourcen aufzubauen, die Agenturbeziehung und Aufgabenteilung nochmals zu überdenken und neu zu regeln.
Fazit: Handeln ist angesagt
Aufgrund der vorliegenden Fakten wäre nun eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Thema angezeigt. Wer nun als Kunde einer Mediaagentur noch länger wegschaut und nicht handelt, muss sich später den Vorwurf der Mittäterschaft gefallen lassen. Wenn Ihnen die Thematik zu heikel oder komplex ist, besorgen sie sich fachkundige Untestützung. Es gibt hoch qualifizierte unabhängige Berater im Markt, die Ihnen helfen einen klaren Blick über IHRE Ist-Situation zu verschaffen und einen Weg für die Zukunft aufzuzeigen können.
Kompetente neutrale Unterstützung bietet der Werbeauftraggeber Verband SWA zusammen mit spezialisierten Dienstleistern (z.B. www.prezzimedia.ch) für den Schweizer Markt.