Kurzanalyse der 20-Minuten-leaked-TV Quoten

Posted in Mediabeobachter

Heute hat 20 Minuten das lange Warten auf die TV-Quoten "unterbrochen". Niemand weiss jedoch, ob diese Zahlen den Fakten entsprechen, da Mediapulse diese bisher nicht bestätigt hat. Hier kurz die vermeintlichen Veränderungen der TV-Senderreichweiten gemäss 20 Minuten Quelle.

Kurzanalyse der 20-Minuten-leaked-TV Quoten

Verständlich, dass bei diesen Zahlen bei einigen Beteiligten die Nerven blank liegen. Doch dieser Vergleich ist rein wissenschaftlich nicht zulässig. Die Daten stammen aus unterschiedlichen Erhebungen und dürfen so nicht verglichen werden (als ob man aus unterschiedlichen Winkeln und Distanzen ein Objekt fotografiert und sich dann über die Dimensionen unterhalten würde - oder im Volksmund Birnen mit Aepfeln vergleichen). Selbst wenn man mit dem alten System Telecontroll in 2000 neu rekrutierten Haushaltungen gemessen hätte, wären sehr wahrscheinlich deutliche Verschiebungen festzustellen gewesen, darüber sind sich Marktforschungs-Experten einig. Die Schuld alleine beim neuen Messsystem von Kantar zu suchen, ist darum wohl falsch.

Wenn man sich mal die Hochrechnung vor Augen führt, wird schnell klar, wie "fragil" diese Daten sind: Anzahl Haushaltungen im Panel: etwas mehr als 2000, Anzahl Personen: um 4'000. Genau diese 4'000 Personen sind im neuen  Panel komplett neu rekrutiert worden. Sind alles Neue. Dass diese nun marginal (oder eben im Einzelfall auch bis zu 30%) andere Sehgewohnheiten haben, überrascht zwar, ist aber nicht undenkbar. Fakt ist: weder die alten noch die neuen Zahlen sind komplett richtig. Beide zeigen eine auf einer (wahrscheinlich zu kleinen) Stichprobe basierenden Hochrechnung und sind damit gleich falsch oder eben gleich richtig. Genauer Messen (Stichprobe vergrössern) würde Mehrkosten bedeuten. Zum Vergleich: die Reichweiten der Printmedien werden mit der MACH Basic zweimal jährlich von der WEMF erhoben. Diese beruhen auf insgesamt 23'000 Interviews, um die ganze Komplexität der Schweizer Printlandschaft adäquat abzubilden. Hier stellt sich die Frage, müsste die zunehmend fragmentierte und damit immer komplexere TV-Landschaft nicht auch mit deutlich grösserer Stichprobe erhoben werden?

Was heisst das nun für die Sender oder Werbekunden? Nun ja - eigentlich bedeutet es nichts. Dürfte aber schwer fallen, dies so zu sehen. Was sich verändert hat, ist nicht die Nutzung, nur die Sicht darauf ist anders. Natürlich ist diese Sichtweise zu philosopisch, abgerechnet wird nämlich in harter Währung GRPs und diese kommen nunmal aus dem Messsystem.

Was uns auch auffällt, sind die Ratings. Das neue System weisst für Januar und Februar 2013 im Vorjahresvergleich eine insgesamt deutlich niedrigere TV-Nutzung aus (ausser bei SRF1 und ARD "fehlen" bei allen Sendern einige Tausend Zuschauer - da kommt kummuliert einiges zusammen). Ob sich die "fehlenden" Zuschauer auf deutlich mehr, kleinere Sender verteilt haben, ist den 20-Minuten Charts leider nicht zu entnehmen - könnte man jedoch angesichts der fortschreitenden Fragmentierung annehmen (neue Sender wie Sixx, DMAX, etc.). Dies ist die wirklich schlechte Botschaft für die Vermarkter - alle haben ihren Kunden 100% Leistungskompensation angeboten - welche im Fall von RTL in diesem Beispiel einem 30% "on-Top Freevolumen" gleichkäme.

Die Branche hält nun die Luft an und wartet auf die offiziellen Statements der Mediaplulse, bzw. die Ergebnisse der Experten Hearings. Kleine Prognose: das Panel und die Erhebung werden wohl den internationalen Standards entsprechen, bemängelt wird sehr wahrscheinlich die Grösse der Stichprobe, welche momentan etwas zu klein scheint, um die Komplexität der Schweizer TV-Landschaft abzubilden. Fazit: wer genauer misst, muss auch genauer messen - oder wie ein legendärer Spruch zum Thema: "Wer misst, misst meist Mist" (Danke Urs W.).

Quelle TV-Marktanteil und Ratings: 20 Minuten

No video selected.

Share this!

Über den Autor:

Sandro Prezzi

Sandro Prezzi

Experte für Media, Digitalisierung und Integrierte Kommunikation.

Seit 2007 kommentiert Sandro Prezzi Entwicklungen, Trends und News der Schweizer Werbewirtschaft. Seine Hauptthemen sind Media, Integrierte Kommunikation, Medien-Forschung, Digitalisierung und Online Marketing.

mediabeobachter lgo2.fw

Kontakt: This email address is being protected from spambots. You need JavaScript enabled to view it.

NICHTS VERPASSEN - CONNECT WITH US!

Newsletter

Möchten Sie über die Mediabeobachter News auf dem Laufenden gehalten werden?

captcha