Digitalisierung: alles andere als das Ende von störender Werbung
Die Digitalisierung soll Chancen und Alternativen zur störenden Werbung bieten. Bisher hat sie entgegen aller Versprechungen eher das Gegenteil bewirkt. Nie war Werbung so unbeliebt wie auf den digitalen Kanälen.
Werbung nervt, wenn sie aufdringlich ist. Nichts hat der Akzeptanz der Werbung so geschadet wie die Digitalisierung. Ausgeklügelte Zielgruppenaussteuerung, Algorithmen, Cookies und Remarketing haben das Problem nicht kleiner gemacht, sondern verschärft. Es sind gerade die personifizierten Werbemittel, welche den Menschen das Gefühl des Verfolgtwerdens vermitteln. Kein Wunder also wurde alleine der deutsche AdBlockPlus ABP bereits über 1 Milliarde mal runtergeladen. Gemäss Experten surfen bereits 40% der Online User mit AdBlockern - Tendenz steigend.
Bald reicht der Arm der digitalen Werbung über den Computer und das Handy hinaus auch ins Wohnzimmer. Admeira verspricht zielgruppengesteuerte Werbespots am TV. Dann ist es vollends vorbei mit dem relaxten "leaninig back" Medium TV und der entspannten Unterhaltung. Die Akzeptanz der TV Werbung wird durch diese digitale Innovation nicht besser. Obwohl die Möglichkeit der zeitversetzten TV Nutzung weit verbreitet ist, wird diese bisher nur von 15% der Zuschauer genutzt. Das kann sich ändern. Bei Online Werbung war es genau so.
Programmatic Advertsing hat die Verbreitung von AdBlockern erst richtig in Fahrt gebracht.
Für Werbetreibende, also Firmen, welche ihre Produkte gerne einer breiten Oeffentlichkeit bekannt machen und anbieten möchten sind das harte Zeiten. Die Digitalisierung wird die Probleme nicht lösen. Die Menschen entscheiden, welche Medien sie wie nutzen und wie sie Unternehmen gestatten ihnen ihre Produkte und Services anzubieten. Dabei ist der digitale Kanal nur einer von vielen und bei weitem nicht der beliebteste.
Wenn die Branche, das heisst die News-, Socialmedia- und Medien-Plattformen ihre "Gier" nicht schnell in den Griff kriegen und das Verhältnis Content und Werbung zu Gunsten des Nutzers verschiebt, wird das Businessmodell kostenloser Content gegen Werbung bald ausgedient haben. Falls es sich überhaupt noch retten lässt.
Die begangenen Fehler sind nur schwer zu korrigieren.
Die Auflage der abonnierten Zeitungen sinken, die Onlinenutzung fragmentiert und die AdBlocker fressen den Rest. Mittels Einsatz von Facebook, Twitter und Instagram versuchen Verlage Nutzer für Ihre Artikel zu finden und geraten dabei in die Kostenfalle Socialmedia. Reisserische Titel führen immer weniger zu Clicks. Im Zeitalter der "Titel-only-Leser" reicht diese Info für ein paar schludrige Kommentare und die soziale Verbrüderung oder Auseinandersetzung (um nicht Kampf zu sagen). Mehr braucht es in sozialen Medien nicht. Einen Artikel ausführlich zu Ende zu lesen wird als Zeitverschwendung erachtet. Neuste Studien zeigen, dass in Socialmedia die Herkunft der Information (also die Medienmarke) nicht erinnert wird und damit keine nachhaltigen Effekte bietet.
Mediabeobachter Tipp für den Alltag:
Hinterfragen sie die Erfolgstories kritisch. Entspricht die gemessene Leistung auch dem Ziel? Steht sie in einem relevanten Verhältnis und wie siehts mit der Kosteneffizienz aus? Wie schneidet die digitale Innovation im Vergleich mit klassischen Mitteln ab? Wie sieht es mit dem Leistungsnachweis aus? Nicht Clicks oder Views, Branding oder vesandte Messages sind entscheidend - Werbewirkung lässt sich in Erinnerung gestützt oder ungestützt messen, Verkaufserfolg am Umsatz. Aber daran denken - auch wenn der Kauf im Onlineshop getätigt wurde und der Kunde via Google in den Shop kam - irgendwas hat ihn dazu verleitet seine Online-Recherche zu starten. Und wenn ich raten soll, ist die Wahrscheinlichkeit auch heute noch extrem hoch, das eine Anzeige, ein Prospekt, ein Radio- oder TV-Spot oder ein Plakat daran "schuld" war.
