Der Publicitas Krimi oder wenn es zum Schluss noch richtig spannend wird.
8.12.2016: Kaum zu glauben, was in den letzten knapp 7 Tagen alles von der Publicitas zu hören war. Vor einer Woche verkündete die Investmentfirma Aurelius dass sie die Publicitas an den bestehenden CEO Joerg Nuernberg und den CFO Carsten Brinkmeyer veräussert habe. Der Klein Report deckte auf, dass Druck auf das Personal ausgeübt wurde, welches auf mindestens 10% Gehalt bei gleicher Leistung verzichten sollte oder sich auf eine Pensumreduktion einstellen müsse. Dann musste zugegeben werden, dass nun doch Planungs-Tools per Mitte 2017 eingestellt werden. Nun wurde noch der Abgang des Publicitas Schweiz Chef Wolfgang Schickli publik.

Ungünstiger kann die „Rettung“ einer Firma doch gar nicht laufen.
Die Branche traf die Nachricht vom „Verkauf“ einen Tag nach dem Publicitas Kunden und Mitarbeiter Fest. Die News vom Management-Buy-out kamen doch ziemlich unerwartet. Die Publicitas Mitarbeiter vermuten nun, dass ihr Einverständnis auf mindestens 10% Lohn zu verzichten, mit dem Kaufpreis gleichzusetzen ist. Was die Uebernahme Entscheidung natürlich vereinfacht hat. Sonst hätten die beiden Ex-Aurelius Managern Nuernberg und Brinkmeyer wohl kaum die Verantwortung für das Unternehmen auf eigene Rechnung übernommen. So günstig kommt man selten an eine Firma, bzw. wird man ein Problem los – je nach Perspektive. Doch was nun? Die Publicitas, kurz P, ist immer noch in Schieflage. Die Investment Experten von Aurelius hatten wohl gute Gründe sich vom Sorgenkind zu trennen. Gescheiterte Firmensanierungen sind schlecht fürs Image. Die Beziehungen zwischen Nuernberg und Aurelius scheinen gegen Ende auch eher schwierig gewesen zu sein. Eine Trennung kam wohl beiden Seiten gelegen.
"Kein Cashflow Problem - sondern ein Ergebnisthema"
Nachdem der Klein Report die Einstellung des bei den Mediaagenturen beliebten AdPlanning Tools publiziert hatte, meldete sich auch CEO Nuernberg persönlich zu Wort. „Wir haben kein Cashflow Problem, sondern ein Ergebnisthema“. So so. Je nachdem wie man ein „Ergebnisthema“ managed wird aber schnell ein Cashflow Problem daraus. Die Klagen der Verlage über nicht oder viel zu spät bezahlte Verlagsrechnungen häufen sich. Einige Verlage wenden sich, nach ausbleibender Bezahlung der Inserate Rechnungen durch die P, inzwischen auch direkt an die Werbeauftraggeber, welche ihrerseits nun das Gespräch mit der Publicitas suchen. Dem Vernehmen nach hat der Migros Genossenschaftsbund gerade nach einem Gesprächstermin mit dem Publicitas Management gebeten. Die Werbeauftraggeber sorgen sich um ihr Image, wenn Gelder, welche sie der P bereits überwiesen haben, bei den Verlagen nicht ankommen. Das tönt alles in allem doch ziemlich nach ernsthaften Liquiditätsproblemen der P.
Unverständlicher Verzicht auf AdPlanning
Der Verzicht auf das rege genutzte Online Planungstools AdPlanning ist schwer zu verstehen. Damit verschenkt sich die P die Chance die Umsätze der Mediaagenturen und Direktkunden zu sichern. In einer Zeit in der im Markt nach Programmatic Advertising und Automation der Buchungsabläufe gesucht wird, wären solche Assets Gold wert. Es wären aber auch Investitionen nötig, um AdMarket zur nationalen Buchungsplattform und vermarktungsneutralen Alternative zu Admeira und Tamedia auszubauen.
Keine Kosten gespart mit Bratislava Backoffice
Die Auslagerung der Backoffice Aufgaben ins Service Center in Bratislava sind in diesem Kontext kaum eine brauchbare Lösung, sondern verursachen noch mehr Probleme. Die Kosten pro Auftrag seine nicht wirklich niedriger als vorher, sagen Insider. Wenn man die Qualität der Dienstleistung berücksichtige, welche eher bei 50% statt bei den von Nuernberg erwähnten 110% zu liegen scheinen, ist auch das ein Verlustgeschäft. Das Know-how für das Service Center kommt aus der Schweiz. Die Umsetzung in Bratislava scheint jedoch nicht so einfach, wie sich das die Herren Nuernberg und Brinkmeyer wohl vorgestellt haben. Auch der Weiterverkauf der Dienstleistungen an Schweizer Verleger ist im Sommer kläglich gescheitert. Ein Schweizer Grossverlag hatte dem Vernehmen nach einen Test nach nur 2 Wochen „wegen schwerwiegender Qualitätsmängel“ eingestellt.
Mitarbeiter verunsichert und demotiviert
Auch der im Klein Report Interview von Nuernberg erwähnte „grosse Spirit und die Loyalität der Mitarbeitenden“ sieht bei einem lokalen Augenschein eher nach Trübsal und Verunsicherung aus. Wer kann, der geht. So auch der Schweizer CEO Wolfang Schickli, der als nächster das havarierte Publicitas Schiff verlässt. Die Formulierung, der CFO Brinkmeyer sei nun daran «in den nächsten Monaten eine Nachfolgelösung vorbereiten zu können» tönt nun auch nicht wirklich sehr vertrauenserweckend.
Schade, es ist wirklich schade um die einstige Perle der Schweizer Werbegesellschaften. Die Chancen, dass sie die nächsten 12 Monate überlebt, stehen schlecht.