Platzt die Internetblase 2.0 bald?

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Angeheizt von wahnwitzigen Gewinnerwartungen pumpen Investoren immer mehr Geld in Online Unternehmen. Die Realität sieht aber meist ganz anders aus - wann verlieren die Investoren die Geduld? Wann platzt die Internetblase 2.0?

Platzt die Internetblase 2.0 bald?

Sie füllen die Werbeblöcke der TV Sender und suchen laufend neue Kunden und User: die Online Services. Ob nun Partnervermittlung, Versandhandel aller Arten, Systemintegratoren oder neue Apps - allen gemeinsam ist die unablässige Acquisition von potenziellen Kunden. Mit stetig zunehmendem Druck und grossem finanziellem Aufwand wird acquiriert. Die Mittel dafür kommen in der Regel von den Investoren, welche von einem extrem lukrativen Börsengang in Milliardenhöhe träumen à la WhatsApp (19 Mia USD). Realistisch? Wohl kaum. Nur wenn die Online Unternehmen eine drastische Gewinnsteigerung realisieren, wären sie überhaupt ein Investment wert.

Venture Capital finanzierte Online-Shops

Auffallend sind vorallem die unzähligen Onlineshops, welche krampfhaft versuchen Ihre Produkte an die Frau (und manche wenige auch an Männer) zu bringen. Ob das je kostendeckend oder sogar gewinnbringend realisiert werden kann, ist die Frage. In einer Welt in der 9 von 10 gelieferten Pakete wieder zurückgesandt werden wohl eher nicht. Man darf davon ausgehen, dass die Businesspläne von sinkenden Rücksendequoten ausgehen. Realistisch oder doch zu optimistisch? Direktversand Profis bestätigen hinter vorgehaltener Hand, dass es in den letzten Jahren sehr viel schwerer wurde. Bestellungen sind dabei nicht die relevante Kennzahl, sondern die Netto-Verkäufe und vorallem der Gewinn. Die Porto- und Retourenkosten fressen die Umsatzerlöse auf, bzw. übertreffen diese.

Mit Investitionen subventioniertes Detailhandelsterben

Das tönt ganz nach Marktverzerrung. Angetrieben durch die unrealistischen Gewinnerwartungen der Investoren und der dadurch gut gefüllten Kassen der Onlineversender wird der Druck auf die Detailhändler übergross. Das Sterben der betroffenen Detailhandelsketten hat auch in der Schweiz prominente Opfer: Pasito-Fricker (schliesst 14 Filialen), Bernie's, Jamarico und andere geben entmutigt auf. Ob sich dies positiv auf den Onlineversand auswirken wird, ist zu bezweifeln. Kreative Detailhändler mit grösseren Reserven haben den Kampf noch lange nicht aufgegeben und sind überzeugt, dass der grösste Teil der Kunden die Produkte anfassen und probieren möchten bevor sie sie kaufen. Es ist nicht jedermanns Sache Schuhe und Kleider oder gar Möbel Online zu kaufen und sich dann mit den Rücksendepaketen wieder in die Warteschlangen in der lokalen Poststelle zu stellen.

Sind Investement Banker blind?

Blind nicht, aber sie lassen sich wohl blenden. Wie will ein Investment Banker die Zukunftsaussichten eines Online-Angebotes abschätzen, dessen Funktion, Technologie und Dynamik er nicht versteht und sich dabei alleine auf die Erklärungen der Start-ups verlässt? Wie oft wurden Userzahlen, Zuwachsraten und Umsatzerwartungen schon geschönt, übertrieben dargestellt oder sogar gefälscht?

Selbst Stichproben bei Userzahlen etablierter Socialmedia Marken geben zu denken. Wie realistisch sind wohl die Angaben von Facebook über die aktiven User im September 2014 wenn man diese mit den Zahlen der ständigen Wohnbevölkerung des Bundesamtes für Statistik für 2014 vergleicht?

Facebook publiziert ihre aktiven User regelmässig auch aufgeteilt in Altersgruppen - hier im Vergleich zur CH Wohnbevölkerung im entsprechenden Alterssegment:

15-19 Jährige 420'000 aktive FB User - das wären 96% der CH Bevölkerung

20-29 Jährige 1'020'000 FB User - 97% der CH Bevölkerung

30-39 Jährige 820'000 FB User - 71% der CH Bevölkerung

40-49 Jährige 620'000 FB User  - 49% der CH Bevölkerung

Vorallem die extrem hohen Reichweiten bei den jungen Zielgruppen sind Media- und Marktforschungsspezialisten suspekt, zumal es sich bei den FB-Statistiken  ja um eine "Vollerhebung" handelt. Prädikat: kaum glaubhaft.

Im 2015 sehen die Angaben von Facebook übrigends nicht anders aus.... die Nutzung bei den "Alten" (also über 40 und vorallem über 50 jährigen) nimmt zu während der gesamte Wachstum abflacht. Facebook will insgesamt 3.5 Mio der Schweizer Bevölkerung zu den aktiven Nutzern zählen (43% der Wohnbevölkerung).

Fazit: Die Anzeichen sind da. Die Banker und Investment Analysten werden wohl jegliche Gefahr verneinen. David Bosshard vom GDI meinte am Swiss Marketing Experten Event letzte Woche, im Gegensatz zur Internetblase vom 2000 sei diesmal die Substanz eine ganz andere, die Online Unternehmen hätten dazu gelernt. Naja, unsere Beobachtungen und Stichproben zeigen ein anderes Bild. Die Online-Startups werden immer mehr, alle träumen angeheizt von den Höheflügen von Facebook, Google, WhatsApp und Instagram vom schnellen Geld. Nur die wenigsten werden dieses  Ziel erreichen. Abgerechnet wird am Schluss.

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Über den Autor:

Sandro Prezzi

Sandro Prezzi

Experte für Media, Digitalisierung und Integrierte Kommunikation.

Seit 2007 kommentiert Sandro Prezzi Entwicklungen, Trends und News der Schweizer Werbewirtschaft. Seine Hauptthemen sind Media, Integrierte Kommunikation, Medien-Forschung, Digitalisierung und Online Marketing.

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Kontakt: This email address is being protected from spambots. You need JavaScript enabled to view it.

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