TV-Werbung im Blindflug - 1. Experten Hearing am 15.3.
Die ersten Berichte der zwei Experten aus Norwegen und Belgien, welche überprüft haben, ob die internationalen Medienforschung-Standards eingehalten wurden liegen nun vor und werden am 15. März im Rahmen eines Hearings diskutiert. Eingeladen wurden BAKOM, Telesuisse (Verband Schweizer Regional Fernsehen), SRG, 3+, RTL-Gruppe, Sat1/Pro7, die Vermarkter Publisuisse, Goldbach Media und Ringier sowie der SWA (Verband Werbeauftraggeber) und der IGEM (Mediaagenturen).

Selbstverständlich wird auch Kantar Media als in Kritik stehender Besitzer und Betreiber des neuen Panels ebenfalls teilnehmen.
Wenn bei der Ausschreibung und Umsetzung des neuen Panels alles professionell abgelaufen ist, wird das Hearing kaum Neues zu Tage fördern. Wir gehen davon aus, dass die Experten mit hoher Wahrscheinlichkeit die Einhaltung der internationalen Standards bestätigen werden. Dann dürfte wohl die ganze Hoffnung auf den beiden Schweizer Experten, Beat Hulliger (Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler der Fachhochschule Nordwestschweiz) und Statistiker Diego Kuonen (Dozent der Universität Genf) liegen. Die beiden werden am 26. März zur Diskussion, ob die regionalen Eigenheiten der Schweiz sachgerecht in der Studie berücksichtigt einladen. Hier erwarten wir ein weniger klares Ergebnis, da die Abbildung regionaler Eigenheiten nicht so schlüssig zu beantworten ist - mehr ist hier immer mehr, wobei die Wirtschaftlichkeit auch abnimmt, da die Ausweitung des Panels mit hohen Kosten einhergeht. Was dann?
Falls beide Expertenteams keine wesentlichen Kritikpunkte anbringen können, bedeutet dies, dass die Ergebnisse des neuen Panels stimmen. Dies wiederum bedeutet, dass die alten Zahlen "falsch" waren und ein verzerrtes Bild der Schweizer TV-Quoten gezeichnet hat. Einige TV-Sender werden sich schweren Herzens von ihren lieb gewonnen Marktanteilen verabschieden müssen. Wer die Gewinner und Verlierer sein werden, ist noch offen - Spekulationen sind viele im Markt. Treffen wird es viele, am stärksten wohl die ganz kleinen und jene mit den eher älteren Stammzuschauern.
Was bedeutet dies für den TV-Werbung Alltag? Seit Januar 2013 wird hier im totalen Blindflug geflogen. Niemand weiss, ob die gesteckten Ziele erreicht wurden. Alle Sender geben zwar grosszügig 100% Leistungsgarantien ab, welche erst nach Verfügbarkeit der Zuschauerquoten gemessen und korrigiert, bzw. kompensiert werden können. Da frühestens ab April mit Daten gerechnet werden kann, wird im Rest des 2013 wohl kräftig kompensiert werden. Lange Werbeblöcke sind damit vorprogrammiert.
Für die grossen TV-Kunden stellt dies wohl kein Problem dar, da sie sowieso über längere Zeiträume mit TV-Werbung präsent sind. Wer aber gezielt Werbedruck auf einen kürzeren Zeitraum aussteuert, für den Launch eines neuen Produkts oder zur gezielten Verkaufsförderung, der dürfte an der aktuellen Situation keine Freude haben. Allfällig fehlender TV-Werbedruck wird erst in den (deutlich zu niedrigen) Ladenfrequenzen und Verkaufszahlen ersichtlich. Hier dürften für TV-Vermarkter sehr unangenehme Gespräche anstehen.
Was schon jetzt klar ist - die Investition in einen längeren Parallelbetrieb der beiden Panels wäre die einzig richtige Entscheidung gewesen. Auch hinsichtlich der wirtschaftlichen Bedeutung der Daten. Wen es nun härter trifft ist eine Frage des Standpunktes. Als kundenorientierter Mediaberater würde ich zur Zeit den kurzfristigen Schaden auf Kundenseite deutlich höher gewichten, da konkrete Abverkaufseffekte sehr wahrscheinlich sind. Zudem hat das Vertrauen in das Medium TV und die Währung "Zuschauerzahlen" gelitten. Dies wird den Digitalshift begünstigen - was bei den TV-Sendern mit einer Reduktion der Wertschöpfung einhergehen wird. Dies wird mittel- und langfristige Effekte auf den TV-Markt haben. Beim Verzicht auf einen Paralellbetrieb wurde wohl am falschen Ort gespart...
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