Facebooks Credibility Verlust heizt Digital Diskussion an

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Die falschen Facebook Reports geben zu Reden und zu Denken. Warum verlässt sich eine ganze Branche auf nicht überprüfbare Zahlen und verliert dabei zunehmend jegliche kritische Distanz?

Die Aufregung ist gross. Facebook musste zugeben, dass ein Wert (durchschnittliche Videosehdauer) ihrer umfangreichen Reports während den letzten 2 Jahren falsch berechnet wurde (Artikel Kleinreport). Leider lassen sich kaum Zahlen von Facebook oder Google unabhängig überprüfen. Kunden wie Agenturen arbeiten mit reinen Selbstdeklarationen der Medienkonzerne. Wie in jedem Spiel, ist es nicht hilfreich, wenn eine Partei Spieler und Schiedsrichter gleichzeitig ist, vorallem nicht, wenn die Torstatistik falsch ist.

Agenturen in Digital-Euphorie

Wenn man die Branchennachrichten der letzten Jahre anschaut, wird man den Eindruck nicht los, dass die meisten Agenturen einer Digital-Euphorie erlegen sind. Werbe-, Media- und PR-Agenturen haben ihre Digital-DNA entdeckt und preisen die wunderbaren Errungenschaften der digitalen Kommunikation, Engagement in Socialmedia und Effizienz von Programmatic Advertising an. Dabei verlieren die Planer, Strategen und Kreativen aber zunehmend ihren neutrale Haltung und manche sogar ihren gesunden Menschenverstand. Dies mag daran liegen, dass viele Agenturen inzwischen eigene Digitalprodukte anbieten und somit vom neutralen Berater zum Vermarkter mutiert sind. Die Kunden haben den Ueberblick längst verloren. Die Agenturen wie es aussieht aber auch.

Wenn der Facebook Report 104% Reichweite ausweist

Den "Vogel" hat der Bernetblog und Equipe abgeschossen, welche vierteljährlich die Schweizer Facebook User Statistik basierend auf Zahlen des Facebook AdManagers publizieren. In ihren Reports vom Juli und Oktober 2016 werden im Alterssegment 20-29 jährige mehr aktive Facebook User ausgewiesen, als das Bundesamt für Statistik Ende 2015 Einwohner gezählt hatte. Die entsprechende Reichweite im IGEM digiMonitor ist gerademal halb so gross. Es liegt auf der Hand, hier stimmt etwas mit den Facebook Angaben nicht. Statt dies zu hinterfragen oder auf den Misstand hinzuweisen, werden diese Zahlen unkritisch publiziert.

FBUserVergleich

 

Selbstverständlich müssen wir uns mit der Digitalisierung auseindandersetzen. Dabei sollten wir aber die professionelle Distanz und den gesunden Menschenverstand nicht verlieren. Die Branche arbeitet mit Zahlen, die nicht neutral überprüft werden können. Planer bedienen Anbieter-Tools (von FB, Google, etc.) die sie nicht wirklich beherrschen oder durchschauen und arbeiten auch mit KPIs, welche sie nicht verstehen, bzw. deren Messung sie nicht nachprüfen können. Die Agenturen befinden sich somit voll in der Hand von Facebook und Google. Die Werbeauftraggeber vertrauen darauf, dass ihre Agentur schon weiss was sie da tut. Zurecht? Blindes Vertrauen kann ganz schön teuer werden.

Immer mehr Zahlen haben die Lage nicht verbessert

Digital Marketing wird laufend mit neuen Zahlen beliefert. Dies hat die Lage aber nicht verbessert, sondern verschlechtert. Kaum jemand hat mehr den Durchblick. Blind wird täglich eine neue Sau durchs digitale Dorf getrieben. Die Begründungen fussen auf schwammigen, undurchschaubaren und nicht nachprüfbaren Behauptungen. Digital Marketing sei messbarer, analytischer und damit verlässlicher? Das Gegenteil ist der Fall.

Zuerst die Hausaufgaben bevor programmatisch weitergewurstelt wird

Bevor nun noch grosse Budgetanteile in automatisierte, von intransparenten Algorithmen gesteuerte programmatische Angebote fliessen, sollte die Branche erstmal ihre Hausaufgaben machen. Unabhängige Leistungsmessung durch Drittfirmen sind ein Muss. Facebook und Google (und nicht nur die) müssen ihre digitalen Gartenzäune öffnen und die Leistungsmessung auf eine solide wissenschaftliche Basis stellen, welche transparent ist und durch alle Parteien anerkannt wird.  Es sind Marktstandards zu setzen, die einen solchen Namen auch verdienen.

Google und Facebook verdienen ihr Geld nicht in Silicon Valley

Und wenn wir schon dabei sind: die Digitalkonzerne sind Teil der Branche und müssen ihre Verantwortung wahrnehmen - auch in der Schweiz. Facebook und Google können sich nicht weiter vor Branchenlösungen und Standards drücken. Die Macht haben die Werbeauftraggeber. Weltweit sind die Verbände der Werbeauftraggeber erwacht und bauen nun Druck auf.

Wir beobachten weiter.

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Über den Autor:

Sandro Prezzi

Sandro Prezzi

Experte für Media, Digitalisierung und Integrierte Kommunikation.

Seit 2007 kommentiert Sandro Prezzi Entwicklungen, Trends und News der Schweizer Werbewirtschaft. Seine Hauptthemen sind Media, Integrierte Kommunikation, Medien-Forschung, Digitalisierung und Online Marketing.

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Kontakt: This email address is being protected from spambots. You need JavaScript enabled to view it.

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